Bio-Pille: Die Story eines S(p)itznamens

Eigentlich gibt es in meinem Leben nur eine Sache, die so geblieben ist, seit ich denken kann und das ist mittlerweile immerhin schon mehr als 40 Jahre her...Die Rede ist von meinem Spitznamen „Pille“. Zu dem Zeitpunkt, an dem ich zu meinem Spitznamen kam, war es gerade unglaublich angesagt, einen zu haben. Die Leute aus meiner Clique hatten alle einen: Sie hießen Coco, Kiki, Pütti, Pummel oder so ähnlich … und wie jeder andere Spitzname, verrät auch „Pille“ etwas über mich. Nein, nicht dass mein Vater Arzt oder Apotheker gewesen wäre, oder ich etwas mit Fußball zu tun gehabt hätte, auch Raumschiff Enterprise-Pille war mir damals noch nicht bekannt, nein: ich hatte schlicht kleine Füße. Und da es in meiner ostwestfälischen Heimat Paderborn den Begriff „Pille-Füße“ gibt, um zu beschreiben, dass jemand kleine Füße hat und ich auch noch Hillebrand mit Nachnamen heiße, war der Name „Hille-Pille“ entstanden und so schnell zu „Pille“ verkürzt worden, wie sich mein Weltraum-Namensvetter wegbeamen kann. ...Nach ein paar Jahren hieß Pütti allerdings wieder Gerhard, Pummel wieder Annette und Coco Claudia, aber ich hieß und heiße bis heute für fast alle Menschen, die ich kenne und liebhabe „Pille“ und das, obwohl meine Füße inzwischen mit Schuhgröße 39 eigentlich normal groß gewachsen sind. Später in der Universität wurde ich sogar von den Professoren „Pille“ genannt und als ich zum Literatur- und Sprachwissenschaftsstudium nach Italien ging, wurde aus „Pille“ kurzerhand „Pillola“, was Pille auf Italienisch bedeutet –nur als ich beim Fernsehen gearbeitet habe, gab es eine Pillen-freie Phase in meinem Leben. Ich weiß nicht genau, woran das gelegen haben mag. Auch eine besondere Abneigung gegen Spitznamen bei meinen Kollegen ist mir nicht aufgefallen, im Gegenteil: immerhin trug die Heldin der preisgekrönten ARD-Serie „Berlin, Berlin“, für die ich als Redakteurin gearbeitet habe selber den Spitznamen „Lolle“. Was auch immer der Grund für diese kleine Auszeit gewesen sein mag, inzwischen bin ich wieder „Pille,“ auch für alle Menschen meiner norddeutschen Wahlheimat. Sogar meine Kinder nennen mich Pille und mein Mann trägt den Namen in kursiven Lettern in seinem Ehering. Und auch wenn ich später als Songtexterin von meinen Musikerkolleginnen manch irritierten Blick geerntet habe, wenn sich herausstellte, dass im „writingteam“ ich besagte „Pille“ von der Dispoliste war und nicht der coole Hipster aus Kreuzberg, so ist aus meinem Spitznamen im Laufe meines Lebens ganz unbemerkt ein „Sitzname“ geworden: er hat sich fest gesetzt und ist Teil meiner Geschichte geworden. Zum Glück liebe ich Geschichten so sehr, dass ich selber welche schreibe und da ich es besonders mag, wenn sich zwischendrin mal was reimt, kann ich eigentlich ganz gut mit dem Namen „Pille Hillebrand“ leben.